Bayerische Wurst: Von der Nürnberger Rostbratwurst bis hin zum Allgäuer Wild – vier leidenschaftliche Wurstmacher aus vier Regionen zeigen ihr Handwerk.

Bayerische Wurst- und Fleischwaren erfreuen sich auch jenseits des Freistaats großer Beliebtheit. Jede Region besticht durch ihre ganz eigenen Spezialitäten. Vier Wurstmacher zeigen ihr Handwerk und gewähren auf einem kulinarischen Streifzug Einblicke in Bayerns traditionelle Wurstküchen.

Metzgerei Ursula Sedlmayr in Garmisch © www.bayern.by – Tobias Gerber

Bayerische Gerichte sind traditionsreich und vielfältig. Vor allem Wurst- und Fleischspezialitäten sind aus der herzhaften Heimatküche nicht mehr wegzudenken. Sie gehören im Biergarten zu einer zünftigen Brotzeit einfach dazu. Gemütlich essen und genießen: Das ist es, was das typisch bayerische Lebensgefühl ausmacht.

Gezuzelt, nicht geschnitten: die Original Münchner Weißwurst

Kalbsfleisch, etwas Schweinefleisch, Schweinespeck und -schwarte wandern in den Fleischwolf. Im Kutter entsteht aus der vorzerkleinerten Masse anschließend feines Brät. Immer wieder kommt Eis hinzu. Es verhindert, dass das Eiweiß verbrennt und sorgt dafür, dass sich Kalbsfleisch und Speck ideal verbinden. Fehlen nur noch Gewürze, Petersilie und Zitronenabrieb, ehe Metzgermeister Andreas Jung das Brät in Schweinedärme füllt. Zuletzt gibt er die Würste in siedendes Wasser. Fertig ist sie – die auf der ganzen Welt berühmte Original Münchner Weißwurst.

Wie die Weißwurst richtig verzehrt wird? Darum ranken sich viele Mythen. Die Urform ist das Zuzeln – die Bayern schwören darauf: Dazu nimmt der Wursthungrige die Köstlichkeit in die Hand, beißt auf deren Haut, saugt das Wurstfleisch heraus – und genießt. Wer es einfacher bevorzugt, greift zu Messer und Gabel. Doch es geht auch außergewöhnlich: „Ich habe schon die schlimmsten Dinge gesehen, zum Beispiel Leute, die die Würste mit Tabasco und Ketchup essen“, erzählt Andreas Jung kopfschüttelnd.

Das Gasthaus „Zum Spöckmeier“ am Münchner Marienplatz zählt zu den ältesten der Stadt. Seit 2009 liegt es in der Hand von Lorenz Stiftl. Es empfängt Gäste in urig-bayerischer Atmosphäre. Servicekräfte in traditioneller Tracht servieren bayerische Schmankerl aus der hauseigenen Metzgerei wie Leberkäs, Fleischpflanzerl, Haxen und Schweinsbraten. Und natürlich steht auch die Weißwurst hier seit eh und je auf der Speisekarte. In dem Gasthaus mit angeschlossener Metzgerei bereitet Andreas Jung sie tagtäglich zu – und weiß um deren besondere Geschichte: 1857 erfindet der Münchner Wirtsmetzger Josef Moser die Weißwurst mehr oder weniger aus der Not heraus: „Er wollte eigentlich Bratwürste machen, hatte jedoch keine Schafsaitlinge mehr. Dann hat er etwas herumprobiert und das Ergebnis war die Weißwurst“, so Andreas Jung.

Andreas Jung arbeitet seit 2011 im „Zum Spöckmeier“. Am Wursten macht ihm am meisten Spaß, dass er dabei seine Ruhe hat und ihn niemand stört. Nach getaner Arbeit genießt auch er gerne die berühmte Weißwurst, natürlich ganz traditionell: „Ich esse sie am liebsten frisch aus dem Kessel raus: in die Hand nehmen, zuzeln und fertig. Dazu gibt es Senf, eine Brezen und Weißbier – dann ist alles gut“, sagt er und lacht.

Original Nürnberger Rostbratwurst: Auf die Größe kommt es an

Sieben Uhr am Morgen – ein Hauch von Majoran liegt in der Luft: Im Keller des „Bratwursthäusle“ in Nürnberg wird bereits seit zwei Stunden fleißig gewurstet. Aus Vorder- und Hinterschinken vom Schwein entstehen hier nach traditioneller Herstellung die weltbekannten Original Nürnberger Rostbratwürste. Im Jahre 1462 wird die besondere Bratwursttradition erstmals erwähnt. Es heißt, die Nürnberger Rostbratwurst sei so klein, damit sie im Mittelalter auch noch nach der Sperrstunde an wursthungrige Kunden durchs Schlüsselloch verkauft werden kann.

Das bestätigt auch Werner Behringer, Senior-Chef des „Bratwursthäusle“: „Typisch ist ihre Größe: sieben bis neun Zentimeter lang und 20 bis 22 Millimeter dick. Produziert in der hauseigenen Metzgerei, werden die Würste auf die insgesamt drei Lokale der Familie Behringer verteilt: das „Bratwursthäusle“, das „Bratwurstglöcklein“ und das „Goldene Posthorn“. „Unsere Familie ist seit vier Generationen in der Gastronomie tätig“, sagt Werner Behringer. „Jeder hat sein Aufgabengebiet. Hin und wieder herrscht Diskussionsbedarf, doch der Junior hat mittlerweile das letzte Wort: Die Übergabe an die nächste Generation ist quasi schon erfolgt.“

Um zehn Uhr öffnen die Bratwurst-Restaurants im Herzen Nürnbergs ihre Türen. Werner Behringer leitet den Betrieb seit Anfang der 1960er Jahre. Sein Sohn Kai ist seit 27 Jahren mit an Bord. Gemeinsam mit 30 Angestellten verwöhnen Vater und Sohn hier zahlreiche Gäste von nah und fern mit Variationen von der Rostbratwurst. „Traditionell werden die Bratwürste mitten im Restaurant auf dem offenen Buchenholzgrill gegrillt und anschließend auf handgegossenen Zinntellern serviert“, erklärt Kai Behringer. Wahlweise gibt es die Bratwürstchen auch als „Blaue Zipfel“ oder geräuchert – jeder mag sie anders, das ist reine Geschmackssache.

Regensburger Wurst: würzig, rauchig, unwiderstehlich

Im Zentrum der Regensburger Altstadt witzelt Würstlwender Wilhelm Reisinger mit seinen Gästen. „Ich bin gerne mit Menschen zusammen und ratsche und blödle mit ihnen herum. Wenn ich Spaß an der Arbeit habe, merkt das auch der Kunde“, ist der 47-Jährige überzeugt.

Wilhelm Reisinger nimmt eine Original Regensburger vom Rost und legt sie in eine aufgeschnittene Semmel. Es duftet würzig und rauchig. Um 1955 wird die heute legendäre Regensburger „Knackersemmel mit Allem“ erfunden – das Steckenpferd der Wurstbraterei. „Die Knacker sind geräuchert. Dazu kommen dann noch Meerrettich, süßer Senf und Essiggurken“, erklärt er. Eine Leckerei mit Suchtpotenzial. Auf seinem Grill landen neben der Original Regensburger auch Putenknacker, Brat- und Currywürste und sogar gebratene Weißwürste. Das könnten viele Münchner nicht nachvollziehen, so der Familienvater schmunzelnd.

2011 übernimmt der Elektroinstallateur-Meister zusammen mit seiner Frau den mobilen Wurststand am Neupfarrplatz – und betreibt diesen nun in der vierten Generation. Die Geschichte der „Wurstbraterei Reisinger“ beginnt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Urgroßvater 1946 den Familienbetrieb eröffnet.

Nur vier Gehminuten entfernt, neben der Steinernen Brücke am südlichen Donauufer, findet sich die weltweit älteste Wurstbraterei: die „historische Wurstkuchl“. Schon im Mittelalter stärken sich hier Regensburger Steinmetze, Bau- und Hafenarbeiter mit hausgemachten Bratwürstln aus Hinterschinken vom Schwein. Genau wie früher werden diese auch heute noch auf dem offenen Holzkohlegrill zubereitet und mit hausgemachtem Sauerkraut und Senf serviert – altbewährt, einfach und lecker!

Allgäuer Wild: Delikatesse aus heimischen Wäldern

Anders als Bratwürste, Knacker und Weißwürste, die sich das ganze Jahr über genießen lassen, haben Wildspezialitäten im Herbst Hauptsaison. Zusammen mit Pilzen, Maronen, Apfel und Kürbis lassen sich aus Rehwild, Wildschwein und Co. äußerst schmackhafte Gerichte zaubern.

Mit Wild aus heimischen Wäldern kennt sich Hermann Tauscher bestens aus. 2011 macht sich der Schwabe im Alter von nur 25 Jahren selbständig: Heute betreibt er seine eigene Landwirtschaft. Seine Fleisch- und Wurstwaren sind bei den Gastronomen in der Region sehr gefragt. Der Großteil der Schlachterzeugnisse geht an die Gastronomie und Hotels, das restliche Frischfleisch verkauft er in seinen zwei Läden.

Hermann Tauschers Sortiment ist breit gefächert: Von Schwein und Rind über Schaf und Kalb bis hin zum Ross ist alles dabei. Doch besonders seine Produkte vom heimischen Wild sind bei den Gästen sehr beliebt. „Wild eignet sich hervorragend für die Rohwurstproduktion, da es schon von Natur aus dunkler ist“, so der 32-Jährige. Ob Hirschsalami, Hirschschinken, Hirschlandjäger, Hirschwurzen oder Roh- und Kochsalami-Hirschschinken: Bei Hermann Tauscher kommen Wild-Fans voll auf ihre Kosten.

Das Fleisch dafür bezieht er von sieben Lieferanten aus der näheren Umgebung: „Als Fleischlieferant sollte man einfach das anbieten, was regional verfügbar ist“, findet er. Das Besondere am Allgäuer Wild ist zweifelsohne sein Geschmack: Da es geschossen wird und in der Decke auskühlt, nimmt das Fleisch den Geruch des Tieres auf. „Dadurch erhält es diese unverwechselbare Note, die von Wildkennern geliebt und geschätzt wird.“

Qualität und Regionalität gehen im Freistaat Hand in Hand: Bayerische Wurst- und Fleischspezialitäten verbinden traditionelles Handwerk mit purem Genuss und spiegeln seit jeher ein Stückchen Heimat wider. In Bayern sind Einheimische und Gäste eben auf die Wurst gekommen – Biss für Biss.

Persönliche Tipps von Andreas Jung:
Mir gefällt das Flair am Stachus und Marienplatz besonders gut. Scheint die Sonne, bestellen Sie sich ein paar Weißwürste und lauschen Sie dabei dem Glockenspiel – einfach herrlich. Auch Einkaufsmöglichkeiten gibt es hier zuhauf. Wem es wie mir in der Stadt manchmal zu turbulent wird, dem empfehle ich meine Heimat, das Allgäu. Hier entspanne ich am besten.

Persönliche Tipps von Werner Behringer:
Obwohl Nürnberg immer mehr von kleinen, feinen Küchen besetzt wird, haben wir hier eine ganze Reihe von Gastronomiebetrieben, die noch typisch fränkisch kochen. Auch in der Gegend um Nürnberg, Fürth und Erlangen, wo sich das Knoblauchsland erstreckt, gibt es viele Dörfer, die ein, zwei gute fränkische Wirtshäuser haben – dort lohnt es sich, einzukehren. Einen Besuch wert ist auch die historische Wehrkirche in Kraftshof.

Persönliche Tipps von Wilhelm Reisinger:
Das Schönste in Regensburg sind meiner Meinung nach die vielen kleinen, verwinkelten Gassen. Wer etwas Zeit mitbringt, sollte unbedingt schön langsam durchschlendern: Man entdeckt viele kleine Verstecke und schöne Hinterhöfe – das gefällt mir bei uns am besten.

Persönliche Tipps von Hermann Tauscher:
Bei uns gibt es viel zu entdecken: zum Beispiel die Breitachklamm oder das Fellhorn. Sehr schön ist es am Christlessee. Dort gibt es zwei urige Wirtschaften. Von da aus kann man im Sommer bei einer Tasse Kaffee die wahnsinnig schöne Aussicht genießen.

Bildquelle: Metzgerei Ursula Sedlmayr in Garmisch © www.bayern.by – Tobias Gerber