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Das Bieramt in Nürnberg ist eine echte Stadtverführung: In der Kneipe erleben Gäste fränkische Bierkultur in historischer Kulisse.

Der Platz rund um das Tiergärtnertor gilt als einer der schönsten Orte, um in Nürnberg draußen zu sitzen. Hier ist das Bierlokal „Bieramt“ zu Hause. Zwischen historischen Fachwerkhäusern mit Blick auf die alte Stadtmauer geht es um gute regionale Biere – und fränkische Kultur.

Bier-Amt, Nuernberg
Foto ©Bayern.by-Gert Krautbauer

Stimmengewirr hängt in der Luft. Fränkische Mundart mischt sich mit anderen deutschen Dialekten und Sprachen aus aller Welt. Zwei junge Männer spielen Gitarre, dazu singt ein Mädchen. Eltern spielen mit ihren Kindern, nebenan unterhält sich lachend ein älteres Ehepaar. Durchbrochen wird die Klangkulisse vom Ruf der Blumenhändler, die ihre Ware anpreisen: Auf dem historischen Tiergärtnertorplatz in Nürnberg pulsiert das Leben wie auf einer Piazza im Süden.

Zufrieden beobachtet Boris Braun das Spektakel: „Ich arbeite da, wo andere Urlaub machen“, sagt er stolz. Von Anfang an schon ist er fest mit dabei im Bieramt in Nürnberg. 2008 wurde das Bierlokal in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Fuhrmannstube mit Pferdetränke eröffnet. Gelegen in unmittelbarer Nachbarschaft des Albrecht-Dürer-Hauses, unterhalb der Nürnberger Burg, steht es an einem der schönsten, historisch erhaltenen Orte Nürnbergs: dem Tiergärtnertorplatz.

Hier treffen Familien auf Singles, Jung auf Alt, Einheimische auf Gäste. Jeder ist willkommen und darf den Blick auf die Nürnberger Stadtmauer und die schönen, alten Häuser mit ihrem Fachwerk genießen. Doch es sind nicht nur die besondere Stimmung und die schöne Kulisse, die im Sommer bis zu 500 Leute auf den Tiergärtnertorplatz locken. Auch das Bieramt zieht Nürnberger und Gäste aus aller Welt an. Denn hier finden sie eine ganz besondere Stadtverführung: ein Bierlokal, das ausschließlich fränkische Biere anbietet.

Heimische Bierkultur in historischer Kulisse erleben

Was für eine Auswahl: 18 bis 20 feste Sorten auf der Karte können die Gäste im Bieramt probieren. Jede Woche sucht Mitarbeiter Boris Braun zudem zwei wechselnde Fassbiere aus – ein Helles und ein Dunkles. Allein das sind 80 weitere verschiedene Biere im Jahr, allesamt von fränkischen Brauereien. Bier hat hier Tradition – immerhin hat Franken mit rund 300 Brauereien die höchste Brauereidichte der Welt. Vom Ellinger Schlossgold über Reckendorfer Pils bis hin zum Metzgerbräu Uetzing gibt es die verschiedensten Geschmackssorten zu entdecken. Das kommt an: „Im Sommer ist hier sehr viel los“, sagt Boris Braun. Teilweise stehen die Leute dann auch mal zehn Minuten in der Warteschlange. In dem Lokal gilt draußen Selbstbedienung – ganz nach dem Motto: abholen, hinsetzen, genießen.

Dass die fränkischen Biere so gut von den Gästen angenommen werden, freut wohl niemanden mehr als Boris Braun: „Bier braucht Heimat“, sagt er überzeugt. Aus diesem Grund war für ihn und Christoph Zielke, Inhaber des Bieramts, von Anfang an klar: Es geht darum, die heimische Bierkultur zu fördern. „Wir wollen den kleinen, unbekannten Brauereien eine Plattform bieten. Einheitsbrei gibt es genug“, erklärt Boris Braun. Vor allem die unfiltrierten, handwerklich hergestellten Biere haben es dem 54-Jährigen angetan. Eben die Biere direkt aus der Region. „Wenn man Bier um die halbe Welt kutschiert, wird es nicht besser“, sagt er bestimmt.

Boris Braun: Bier-Chronist für Frankens Gerstensaft

Wenn es um das gebraute Gold geht, macht Boris Braun so schnell niemand etwas vor: Er ist Autor des „Brauns Brauerei Atlas Franken“ und damit der fränkische Bier-Experte schlechthin. 300 fränkische Brauereien sind in dem Buch verzeichnet. Alle davon hat er persönlich besucht und fast alle Biere selbst probiert. Mittlerweile gibt es den Atlas sogar als App für alle Brauereien Deutschlands. „Mir ist es ein Bedürfnis, den Leuten zu zeigen, wo es gutes Bier gibt“, erklärt Boris Braun.

Als Christoph Zielke ihn 2008 fragt, ob er mit an Bord des Bier-Lokals geht, zögert er deshalb keine Sekunde. Nicht nur weil er da schon längst Stammgast im Wanderer ist, der an das Bieramt angeschlossenen Café Bar. Ihm geht es auch um seinen Wunsch, den schönen Tiergärtnertorplatz wiederzubeleben.

Treffpunkt für Einheimische und Gäste wiederbelebt

Dieser Platz war zuvor jahrelang mehr oder weniger tot: Die Stadt Nürnberg hatte kurzerhand ein Alkoholverbot verhängt, weil die Menschen ihn in Beschlag nahmen, mit ihren Getränkekästen kamen und zu laut für die Bewohner waren. Mit dem Bieramt hat sich dieses Bild geändert: Entspannt sitzen die Menschen zusammen, genießen fränkische Biere, Einheimische kommen mit Gästen ins Gespräch. „Uns Franken wird ja nachgesagt, eher reserviert zu sein, hier gilt das allerdings nicht“, sagt Boris Braun und lacht. Und tatsächlich: Auf dem Tiergärtnertorplatz vor dem Bieramt quatscht jeder mit jedem.

Und damit wird klar, dass es beim Bieramt um viel mehr geht, als nur um heimische Bierkultur. Hier finden die Gäste einen Treffpunkt mit jahrhundertealter Geschichte. Im Bieramt wird ein Stück fränkische Identität erlebbar. Dafür sorgen Menschen wie Bier-Chronist Boris Braun und die Stammgäste, die wie eine Familie sind und jeden herzlich aufnehmen.

Selbst die Räumlichkeiten sind untrennbar mit der Geschichte der Stadt Nürnberg verbunden: Die alte Stadtmauer verläuft durch das Gemäuer. Liebevoll wurde es so hergerichtet, dass es Historie und Modernität an einem Platz vereint. So passt es perfekt zu Nürnberg, der „modernen Großstadt mit historischem Hintergrund“, wie Boris Braun sagt.

Selbst der Name, der Café Bar „Wanderer“ mit ihrer Erweiterung „Bieramt“ ist eng mit der Geschichte der Stadt verbunden: „Das Bieramt liegt gegenüber des Geburtshauses von Albrecht Dürer, den wir in Nürnberg alle gottgleich verehren“, erzählt Boris Braun. Weil alles rund um den Platz den Namen des berühmtesten Sohnes der Stadt trägt, haben sie sich etwas anderes einfallen lassen. Inspiriert wurden sie dabei von einem Gemälde von Friedrich Wilhelm Wanderer. Darauf sind Albrecht Dürer und andere Nürnberger Altmeister verewigt. Es gefällt ihnen so gut, dass sie den Namen für die Café Bar adaptieren. Dieser hat sogar einen doppelten Sinn: „Jeder, der zu uns kommt, ist ein bisschen gewandert: Wir liegen oben am Hang unterhalb der Nürnberger Burg“, sagt Boris Braun.

Und er könnte noch viel mehr erzählen, über die Gemeinschaft auf dem Tiergärtnertorplatz, über Nürnberg und über Franken. Ein Leben ohne die geliebte Heimat, das kann er sich genauso wenig vorstellen, wie ein Leben ohne Bier. Wer will, kann ihn selbst danach fragen: Jeden Mittwoch steht Boris Braun im Bieramt hinter dem Tresen.

Persönlicher Tipp von Boris Braun:
Richtig schön ist es im Kulturgarten – einem Biergarten mitten in der Stadt mit 500 malerischen Sitzplätzen und feinen Landbieren. Meine persönliche Lieblingsveranstaltung ist das Bardentreffen in der gesamten Innenstadt, mit acht großen und unzähligen kleinen Bühnen. Europas größtes Freiluftweltmusikkonzert mit rund 300.000 Besuchern findet einmal im Jahr statt. Termin ist immer ein komplettes Wochenende von Freitag bis Sonntag um den Monatswechsel Juli/August.

Bildquelle: The Bieramt in Nuremberg © www.bayern.by – Gert Krautbauer

Seit Jahrtausenden sind Heilkräuter im Allgäu beheimatet. Mit viel Liebe und Engagement sorgt Gerti Epple dafür, dass diese Tradition lebendig bleibt.

Der Weg führt durch eine erdfarbene Höhle hindurch, inmitten der Gemeinde Weitnau im Oberallgäu. An den Wänden hängen Fotografien von beeindruckenden Pflanzen. Durch die Gänge zieht der Duft geräucherter Kräuter. Menschen lachen und tauschen sich aus. Es ist die Seminargruppe von Gerti Epple, erste Vorsitzende des Allgäuer Kräuterland e.V.. Mit ihrem Verein hilft sie dabei, das Wissen über traditionelle Wiesen- und Heilkräuterweiterzugeben und somit einen uralten Brauch im Allgäu zu erhalten.

Allgäuer Kräuterland, Wiesen- und Heilkräuter, Weitnau © www.bayern.by – Jens Schwarz

Bereits seit Jahrtausenden nutzen die Menschen der bayerischen Region die Kräfte der einheimischen Wildkräuter. Meisterwurz, Bergarnika, Sanikel, aber auch Brennnessel und Giersch – all diese Pflanzen sind im Allgäu seit Urzeiten zu Hause. Schon im 16. Jahrhundert wird der Arzt Paracelsus auf die wundheilende Wirkung von Sanikel aufmerksam. Von ihm stammt die Aussage „Die Sanikel ist so stark wirkend, so wundheilend, die heilt das Fleisch im Topf zusammen.“ In den letzten Jahrzehnten ist das Wissen über die Kräuter verloren gegangen – doch durch Gerti Epple wird es wieder lebendig. Und mit ihm die Geschichte ihrer Heimat.

Altes Wissen erhalten

Als Kind wächst die Allgäuerin ganz selbstverständlich mit den einheimischen Heilkräutern auf. „Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden und meine Mutter hat schon damals im Frühjahr mit Sauerampfer, Klee und Löwenzahn gekocht“, erzählt Gerti Epple. Während ihres Studiums merkt sie, dass ihr die Kräuter fehlen. Einige Jahre später fasst sie deshalb den Entschluss: Sie möchte die Pflanzen für sich wiederentdecken und auch andere von der Wirkung der Heilkräuter begeistern.

Sie liest Fachbücher, besucht Fortbildungen und gründet im Jahr 2000 zusammen mit Gasthöfen, Hotels und anderen Kräuterinteressierten ihren Verein Allgäuer Kräuterland e.V.. „Wir haben alle die gleiche Idee: Wir wollen das alte Wissen erhalten, das Brauchtum rund um die Kräuter wiederbeleben und Natur- und Wildkräuterstandorte sowie Wildflächen schützen“, erklärt die erste Vorsitzende.

Gemeinsam auf den Spuren des Allgäus

Ihr liegt ihre Heimat und deren Geschichte sehr am Herzen. Deshalb lädt die 49-Jährige zu Kräuterführungen ein und hält regelmäßig Seminare. Dort erzählt sie den Kursteilnehmern alles, was sie über Gesundheit, Heilkunde, Kochen und Selbstversorgung mit heimischen Wildkräutern weiß. Es ist ihre Leidenschaft für Kräuter und ihre Liebe zur Tradition, warum die Mutter und hauptberufliche Bildungsberaterin immer wieder genügend Zeit für die Akademie für traditionelles HeilWissen findet. „Außerdem mache ich die Arbeit nicht alleine. Ich habe ein tolles Team um mich herum und schaffe es auch, andere Leute von meinen Ideen zu begeistern und zu mobilisieren“, schwärmt Gerti Epple.

Gemeinsam mit ihren Kursteilnehmern zerreiben sie die Heilkräuter, fühlen sie, nehmen das besondere Aroma wahr und lernen sie von anderen Kräutern zu unterscheiden. Sie kochen mit den Pflanzen und essen die Gerichte zusammen in der Gruppe. Selbst kreierte Kräuteröle erinnern die Teilnehmer auch nach dem Seminar noch an eine spannende Zeit auf den Spuren der Allgäuer Geschichte.

Kräuter erwachen zu neuem Leben

Traditionen sind Gerti Epple schon immer wichtig – doch diese nur zu bewahren, davon hält sie nichts. „Ich finde den Spruch ‘Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitertragen des Feuers’ ganz bedeutend. Tradition darf sich entwickeln und das Alte muss sich mit dem Neuen verbinden“, so die Kräuterfrau.

Ihr Verein trägt dazu bei, dass sich die Geschichte der einheimischen Heilkräuter im Allgäu entwickelt – und das mit Erfolg: Immer mehr Menschen finden den Weg zurück zur Kraft der Natur im Allgäu und leben so die bayerischen Traditionen weiter.

Persönlicher Tipp von Gerti Epple:
Im Allgäuer Kräuterland gibt es mehrere Kräuterdörfer, dort werden jeweils Kräuterwanderungen angeboten. Wie es Urlaub auf dem Bauernhof gibt, gibt es dort Urlaub auf dem Kräuterhof. Wir haben auch mehrere Kräuterhotels und Kräuterrestaurants, die sich mit uns vernetzt haben und das Thema Kräuter in ihren Zimmern und Gerichten umsetzen. Sie sind im ganzen Allgäu verteilt – von Füssen über Schwangau bis nach Stiefenhofen.

Bildquelle: Allgäuer Kräuterland, Wiesen- und Heilkräuter, Weitnau © www.bayern.by – Jens Schwarz