Ludwig II. hinterließ vier beeindruckende Prachtbauten. Wie sehr er die Technik liebte, spiegelt sich unter anderem in seinem Schloss Herrenchiemsee wider.

Visionär König Ludwig II. – Veronika Endlicher © www.bayern.by – Peter von Felbert
Als großer Verehrer Ludwigs XIV. von Frankreich verfolgt der bayerische König Ludwig II. gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen Plan: Er will sich sein ganz persönliches Versailles erschaffen. Zeitgleich richten die umliegenden Seegemeinden eine Petition an den König. In dieser fordern sie ihn dazu auf, die Herreninsel vor dem Abholzen zu bewahren. So wird der Monarch auf das Eiland aufmerksam und beschließt: Hier will er sein Schloss nach französischem Vorbild errichten – seinen „Tempel des Ruhms“: Schloss Herrenchiemsee auf der Herreninsel.
Das Bauwerk ist der insgesamt 14. Entwurf, der nach Plänen des Architekten Georg von Dollmann ab 1878 verwirklicht wird. Schloss Herrenchiemsee ist ein Stück Architekturgeschichte, wenngleich es bis heute unvollendet bleibt: 1885 werden die Bauarbeiten eingestellt.
Modernes Schloss Herrenchiemsee: Reise in vergangene Herrschaftszeiten
Veronika Endlicher ist seit 2012 eine von vier Kastellaninnen auf Schloss Herrenchiemsee. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen leitet die studierte Historikerin den Führungsbetrieb und organisiert unter anderem das Personal für die beliebten Schlossführungen. Ihre Begeisterung für alte Herrschaftsbauten begleitet die 38-Jährige schon seit ihrem Geschichtsstudium. An Schloss Herrenchiemsee faszinieren sie besonders dessen komplexe Baugeschichte und die Person Ludwigs II.. Trotz all der Romantik war der bayerische Märchen- und selbsternannte Mondkönig ein Visionär und in vielen Dingen seiner Zeit voraus. Seine innovativen und neuartigen Ideen spiegeln sich auf vielerlei Art in seinen Schlössern wider – auch auf Herrenchiemsee.
Hier reisen Gäste aus nah und fern in eine längst vergangene Zeit: Die Räume sind groß und hoch, das vorwiegend in Gold gehaltene Interieur ist opulent gestaltet. „Schloss Herrenchiemsee ist von den Residenzen Ludwigs II. die prächtigste“, sagt Veronika Endlicher, die hier während ihres Studiums selbst als Schlossführerin gearbeitet hat. Besonders sehenswert sind das Prunktreppenhaus mit seiner Eisen- und Glasdachkonstruktion. Moderne Materialien wie Eisen zu verwenden, ist für damalige Schlösser relativ neu. Zudem gibt Ludwig II. spezielle Anlagen in Auftrag, die das Wasser sowie die Räume im Gebäudeinneren beheizen. Selbst der Speisetisch des Königs ist mechanisch betrieben: Das sogenannte Tischlein-deck-dich ist versenkbar und ermöglicht es ihm einst, seine Mahlzeiten ohne Bedienung einzunehmen. Der prunkvolle Spiegelsaal ist mit absenkbaren Lüstern ausgestattet. Herrenchiemsee ist genau wie seine Vorgänger Neuschwanstein und Linderhof ein modernes Märchenschloss voll technischer Raffinesse.
Ludwig II. – innovativ, fortschrittlich, revolutionär
Die beeindruckenden Prachtbauten Ludwigs II. prägen das Bild Bayerns in der Welt und sind magischer Anziehungspunkt für Einheimische und Gäste. In die Liste der traumhaften Schlösser reihen sich auch einige nicht verwirklichte Projekte ein: So bleiben der Byzantinische Palast und der Chinesische Sommerpalast nur ein Traum. Burg Falkenstein lässt sich heute immerhin als Ruine besuchen: Auf ihrem Fundament will der Monarch eine romantische Märchenburg im Stile Neuschwansteins errichten. Ihr erster Entwurf ist architektonisch jedoch nicht realisierbar.
Die technische Verspieltheit Ludwigs II. zeigt sich nicht nur in seinen Bauwerken: Mit einer Flugmaschine, dem Pfauenwagen, will der König über den Alpsee bei Schloss Hohenschwangau fliegen. Doch auch dieses Vorhaben kann aus technischen Gründen nicht verwirklicht werden. Anders der vergoldete Prunkschlitten – das erste Fahrzeug überhaupt, das mit einer batteriebetriebenen Glühbirne beleuchtet wird. Diesen können Gäste im Marstallmuseum in Schloss Nymphenburg begutachten.
„Was ihn ebenfalls als Visionär auszeichnet, ist die Förderung der Technik“, weiß Veronika Endlicher. So gründet der König zum Beispiel das Polytechnikum in München und fördert mit seinen – für die damalige Zeit modernen – Projekten die Elektrotechnik. „Er hatte bestimmte Ideen und hat sich die neueste Technik zur Hilfe genommen, um diese umzusetzen“, sagt die Kastellanin.
Persönliche Tipps von Veronika Endlicher:
Das ist die schwierigste Frage, denn da könnte ich nun zwei Stunden erzählen. Wir leben in einer Region, die von vielen Bergen umgeben ist. Wer hierher kommt, muss das alles einmal von oben gesehen haben. Wer einen schönen Ausblick auf den Chiemgau und den Chiemsee haben möchte, kann eine der zahlreichen Bergbahnen rund um den Chiemsee nutzen, zum Beispiel die Kampenwandbahn oder die Hochries-, Hochfelln- oder Hochplattenbahn. Sehr sehenswert ist das größte Hochmoor Südostbayerns, die Kendlmühlfilzen. Vom Museum „Salz und Moor“ aus – gelegen zwischen Rottau und Grassau – bieten sich wunderschöne Spaziergänge durch das Moor an. Zu besichtigen ist auch der Torfbahnhof bei Rottau. Beide Museen informieren über die Geschichte der Kendlmühlfilzen und den Lebensraum Moor. Direkt am Chiemsee in Übersee/Feldwies befindet sich außerdem das Exter Künstlerhaus. Obendrein gibt es unwahrscheinlich viele kleine, nette Orte und Städte wie Traunstein und Rosenheim. In Traunstein gibt es jedes Jahr am Ostermontag den traditionellen Georgiritt, das ist wirklich schön. Auch die Märkte und Feste in Traunstein sind einen Besuch wert.
Bildquelle: Visionär König Ludwig II. – Veronika Endlicher © www.bayern.by – Peter von Felbert